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6.2001
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Rezension: "Günter Schmidt: Die Vogelspinnen"
Tarantulas of the World, Nr. 117 / 2006
Es ist noch gar nicht lange her, dass ich vor Spinnen ziemlich viel Respekt
und nicht gerade wenig Angst hatte. Grund dafür war vor allem ihre
Schnelligkeit, aber auch mein mangelndes Wissen über diese Tiere. So
kannte ich Vogelspinnen beispielsweise nur als "Monster" aus Horrorfilmen
im Fernsehen, und allein die Vorstellung, einer Vogelspinne zu begegnen,
erfüllte mich mit Schaudern. Durch eine Freundin wurde ich das erste Mal
mit einer Vogelspinne – einer Brachypelma emilia – konfrontiert, und da
mir viel an dieser Freundschaft lag, duldete ich, wenn auch mit grosser
Skepsis, die Anwesenheit des Tieres. Allerdings war ich stets darauf
bedacht, dass die Tür des Terrariums fest verschlossen war. Im Laufe der
Zeit gewöhnte ich mich an das Tier und verbrachte viele Stunden damit, es
zu beobachten. Dass ich das Tier einige Zeit später sogar in die Hand
nehme würde, hätte ich zu diesem Zeitpunkt nie zu träumen gewagt, denn für
mich galt, um es mal in biblischen Worten auszudrücken: "Eher kommt ein
Kamel durch ein Nadelöhr als eine Vogelspinne auf meine Hand!" Sicherlich
fragt sich der kritische Leser an dieser Stelle, was das alles mit dem
Buch von Günter Schmidt zu tun hat. Gemach, gemach...!!!
Ist das
Interesse an Vogelspinnen erst mal geweckt, dann ist der Wissensdurst in
der Regel gross und die Suche nach Literatur beginnt. Mit Hilfe des
Internets hat man heutzutage gute Möglichkeiten, um nach Literatur zu
suchen, gleichzeitig wird man jedoch von der Datenflut erschlagen und gibt
die Suche oft auf, bevor man ans Ziel gelangt ist. Gerade für Anfänger ist
dies abschreckend, da man doch leicht zu dem Schluss kommt, dass es
unmöglich ist, sich einen systematischen Überblick zu verschaffen, oder
sogar dass man zu blöd dafür ist. Es gibt zwar mittlerweile eine Reihe von
guten Büchern über Vogelspinnen, jedoch behandeln sie alle nur Teilaspekte
und bieten keine systematische Gesamtdarstellung. Eine Ausnahme bildet
jedoch das Buch "Die Vogelspinnen" von Günter Schmidt, welches 2003 im Westarp
Verlag erschienen ist. Dieses Buch ist das einzige Werk in deutscher
Sprache, welches einen weltweiten systematischen Überblick über die
Familie der Theraphosidae (Vogelspinnen) gibt und darüber hinaus noch
viele Zusatzinformationen über Morphologie, Lebensweise, Haltung, Zucht ,
Krankheiten und vieles mehr liefert.
Gleich zu Beginn des Buches
werden Fragen beantwortet, die vor allem den Vogelspinnen-laien
interessieren. So erfährt man z. B., dass der Name "Vogelspinne" von der
deutschen Malerin Maria Sybilla Merian stammt, welche im 17. Jahrhundert
nach Surinam reiste und dort ein Bild von einer Riesenspinne (Avicularia
avicularia) malte, die einen Vogel erbeutet hatte. Weiter wird erläutert,
dass der Name "Tarantula", wie die Vogelspinnen in USA und England
bezeichnet werden, von italienischen Einwanderern stammt, die beim Anblick
der nordamerikanischen Vogelspinnen Verwandte der in Süditalien
beheimateten und von ihnen gefürchteten Tarantel zu sehen glaubten. Auch
die Tatsache, dass es zur Zeit des Tertiärs in unseren Breitengraden
Vogelspinnen gab, wird dem Leser nicht vorenthalten.
Der Hauptteil
des Buches ist jedoch der weltweiten Verbreitung der Vogelspinnen und der
Bestimmung der verschiedenen Unterfamilien und Gattungen gewidmet. Mit
Hilfe eines Bestimmungsschlüssels wird es ermöglicht, ein Vogelspinne
systematisch zu bestimmen und einzuordnen. Sicherlich gelingt dem
unerfahrenen Vogelspinnenfreund nicht auf Anhieb eine Bestimmung bis auf
Speciesebene, jedoch wird man durch die Anleitungen des Buches bestärkt
und lässt sich nicht so leicht entmutigen. Und kommt man bei der
Untersuchung einer Exuvie erstmals zum richtigen Ergebnis, dann ist man
nicht mehr so leicht zu bremsen. Was das Buch vor allem auszeichnet, ist
die Intention des Autors, das Thema Vogelspinnen dem Vogelspinnenliebhaber
zugänglich zu machen und das Wissenschaftsinteresse zu wecken. Und das
gelingt ihm auch hervorragend. Gleichzeitig ist das Buch ein
Übersichtswerk, das in der Bibliothek keines Arachnologen fehlen sollte.
Günter Schmidt gehört zweifelsohne zu den Wissenschaftlern, die
noch den Forschergeist des 19. und 20. Jahrhunderts verkörpern, von denen
es jedoch leider immer weniger gibt. In zahlreichen Publikationen und
Büchern hat Günter Schmidt die Früchte seiner jahrzehntelangen Forschung
zu Papier gebracht und in Kürze feiert er seinen 80. Geburtstag. Heute
wird die Forschung und die Wissenschaft durch Bürokratie, absichtliche
Verkomplizierung und durch formalistische Extremanforderungen (z.B. bei
der Einreichung von Erstbeschreibungen) aktiv behindert. Der Verfall der
Wissenschaft schreitet so ungebremst voran und an Stelle einer an der Sache orientierten
wissenschaftlichen Diskussion tritt immer mehr Hickhack und Hetze, egal in
welchem Wissenschaftsbereich. Mag man auch Publikationen wie z. B.
"Liebeskummer bei Vogelspinnen" belächeln, so sollte man sich nicht auf
ein solches Niveau herablassen und sich lieber an die klassische Literatur
halten, und dazu gehört nun mal das Buch "Die Vogelspinnen" von Günter
Schmidt.
Ruth Barensteiner
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