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Nachruf auf Günter Schmidt von John Osmani (in: ARACHNE / Deutsche Arachnologische Gesellschaft, Ausgabe 1/2017, 22. Jg.)

Am 23.12.2016 verstarb nach langer schwerer Krankheit Dr. Günter Schmidt. Jeder, der sich mit Spinnen, und insbesondere mit Vogelspinnen beschäftigt, dem wird sein Name geläufig sein.

Dr. Schmidt war Gründungs- und erstes Ehrenmitglied der Deutschen Arachnologischen Gesellschaft e.V. (Niederlegung des Amtes aus persönlichen Gründen) sowie Ehrenmitglied der American Tarantula Society und der Arachnida Schweiz.

Sein umfangreiches Schaffen, das alleine über 50 neu beschriebene Vogelspinnenarten umfasst, ist beispiellos in der Geschichte der deutschsprachigen Arachnologen. Er war und ist damit einer der bedeutendsten und produktivsten Arachnologen seiner Zeit und mit Abstand der produktivste und wichtigste deutschsprachige Vogelspinnenkundler überhaupt. Bevor ich zu seiner Arbeit als Arachnologe komme, möchte ich kurz auf das Leben von Dr. Schmidt eingehen.

Günter Schmidt wurde am 10. Mai 1926 in der Hansestadt Lübeck geboren. Schon früh erkannten seine Eltern seine beiden außergewöhnlichen Begabungen: die Biologie und die Musik. Seine ersten Berührungen mit Spinnen machte er, wie so oft bei Arachnologen, im heimischen Garten seiner Eltern.

Das Naturhistorische Museum am Lübecker Dom besuchte er mit seinen Eltern schon als 5-jähriger und war dort fasziniert von den präparierten Ausstellungsstücken und der Naturaliensammlung. Sein Vater, ein Vetter von Ernst Bade, einem bekannten Pionier der Vivaristik, unterstütze sein frühes Interesse und schenkte ihm neben Bades "Handbuch für Naturaliensammler" auch die 2. Auflage von "Brehms Tierleben". Doch der Wissenshunger des angehenden Arachnologen war zu groß für die wenigen Spinnen, die er in diesem damaligen Standartwerk über die Tierwelt vorfand. So entschloss er selbst Spinnen zu sammeln, zu pflegen und sie nach ihrem Ableben als Trockenpräparate in Zigarrenkisten aufzuheben. Gefördert wurde er dabei von einem in Lübeck stadtbekannten Entomologen, der dem Jungen zeigte, wie man Spinnen und Insekten präpariert und wie man sie aufbewahrt.

Auch seine musikalische Begabung kam schon sehr früh zum Vorschein. Schon mit acht Jahren kauften seine Eltern ihm ein Klavier, und ließen ihn im Klavierspiel unterrichten. Bis ins hohe Alter war er ein begeisterter Pianist, der vor allem Werke von Brahms, Chopin und auch eigene Kompositionen spielte.

Aufgrund der 1935 erfolgten Strafversetzung seines 1933 von den Nazis degradierten Vaters, (eines Finanzbeamten) nach Schwerin besuchte er dort das humanistische Gymnasium, das er 1943 mit dem Abitur abschloss. Er studierte dann mit kriegsbedingten Unterbrechungen Biologie an den Universitäten Breslau, Rostock, Gießen und Hamburg. Nach dem Abschluss seines Diploms promovierte er später noch an der Universität Mainz. Sein beruflicher Werdegang als Biologe führte ihn 1955 zunächst in eine Forschungsstation für Tierernährung. Von 1959 bis zu seiner Pensionierung 1986 war er im Bereich medizinische Forschung in verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen tätig. Seit 1964 war er verheiratet mit einer vor ein paar Jahren verstorbenen Kinderärztin. Ihre gemeinsame Tochter verstarb leider schon als Kind. Dr. Schmidt war ein ungewöhnlich fleißiger und sehr produktiver Publizist, und zwar nicht nur in Sachen Arachnologie. Er veröffentlichte insgesamt etwa 637 wissenschaftliche Arbeiten und 19 wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Bücher. Unter seinen nichtarachnologischen Publikationen finden sich Arbeiten und Bücher über Nagetiere, Pathologie der Nagetiere, Tierernährung, Fischpathologie, Terraristik, Aquaristik und verschiedene medizinische Bereiche.

Seine Hauptaktivität galt jedoch seiner großen Liebe zur Arachnologie. Auch hier war er unglaublich produktiv. So veröffentlichte er über 500 wissenschaftliche Arbeiten und fünf Bücher über Spinnen und Spinnentiere. Davon allein circa 170 Arbeiten über Vogelspinnen. Sein Standartwerk über Vogelspinnen erschien erstmals 1986 als Buch und erlebte vier Auflagen. Sein Buch über giftige und gefährliche Spinnentiere erlebte zwei Auflagen und gilt ebenfalls als Standartwerk in diesem Bereich. Sein Buch "Spinnen" aus dem Jahr 1980 war eines der ersten populärwissenschaftlichen Bücher über Spinnen in Deutschland.

Dr. Schmidts erste Arachnologische Arbeit erschien schon 1947 und behandelte die Spinnenausbeute einer Exkursion des Zoologischen Institutes der Universität Rostock in den Harz. Kurz vor der Gründung der DDR verließ er Rostock und setzte sein Biologiestudium in Hamburg fort. Dort untersuchte er ab 1952 die Spinnen, die mit Bananen nach Hamburg über den Seeweg eingeschleppt wurden. Damals waren das noch sehr viele Spinnen verschiedenster Arten, die aus allen Teilen der Welt nach Hamburg gelangten. Über diese Thematik hat er in mehreren Arbeiten umfassend publiziert. Durch eine mit Bananen eingeschleppte Vogelspinne war er 1952 auch einer der Ersten, die in Deutschland eine Vogelspinne besaß. Er beschäftigte sich auch als einer der Ersten mit eingeschleppten "Giftspinnen". In den 60er und 70er Jahren beschäftigte er sich vor allem auch mit den Spinnen Europas, der Kanaren, der Azoren und der Kapverden. Er promovierte 1975 mit einer Arbeit über die Spinnenfauna der Kanarischen Inseln bei der Universität Mainz. Seine Aktivitäten verlagerten sich zusätzlich in viele Teile der Welt. Unter anderem bereiste er Russland, Australien, Süd- und Mittelamerika, Sri Lanka, Madagaskar und Teile Afrikas. Seit den frühen 80er Jahren begann er sich intensiv mit Vogelspinnen zu beschäftigen, die seit dem sein Hauptarbeitsgebiet wurden. Er beschrieb, wie schon Anfangs erwähnt, über 50 neue Vogelspinnenarten, aber auch zwölf für die Wissenschaft neue Spinnenarten aus anderen Spinnenfamilien.

Viele der von Dr. Schmidt beschriebenen Vogelspinnenarten sind heute aus der Terraristik nicht mehr wegzudenken. Er entwickelte und publizierte als einer der Ersten einen Bestimmungsschlüssel für Vogelspinnen. Von 1993 - 1995 war er Hauptschriftleiter des "Arachnologischen Magazins". Aus den Abonnenten dieses kleinen Arachnologischen Publikationsorgans erwuchs die Gründung der DeArGe e.V. Dr. Schmidt war hierbei eine treibenden Kraft zur Gründung unseres Vereines im Jahr 1995. Schon damals genoss er großes Ansehen unter Arachnologen weltweit, was ihm auch die erste Ehrenmitgliedschaft und die Mitgliedsnummer 1 bei der DeArGe einbrachte. Von den taxonomisch arbeitenden Vogelspinnenforschern war er weltweit, und insbesondere unter den deutschsprachigen, zweifellos mit Abstand der produktivste. Von 1961 bis 1999 besuchte er deutsche, europäische und internationale Arachnologie-Kongresse, auf denen er seine arachnologischen Arbeiten bei Vorträgen präsentierte. Dr. Schmidt war ein unermüdlicher Arachnologe, der sein ganzes Leben, seine Freizeit, sein Dasein der Wissenschaft unterordnete. Er war unerbittlich wenn es ihm darum ging wissenschaftliche Position zu verteidigen, von denen er felsenfest überzeugt war. Ich habe ihn immer als eine Art "Marcel Reich-Ranicki der Arachnologie" gesehen was Marcel Reich-Ranicki für die deutsche Literatur war, war Dr. Günter Schmidt für die Arachnologie: Knallhart in der Sache, und mit unbedingter Liebe und Hingabe der arachnologischen Wissenschaft verpflichtet.

Meine erste persönliche Begegnung mit Dr. Schmidt ergab sich im Rahmen einer von der DeArGe durchgeführten Arachnologischen Exkursion ins Melbecker Moor in der Lüneburger Heide vor über 20 Jahren. Ich erlebte ihn dort als einen außergewöhnlich guten Kenner der einheimischen Spinnenfauna. Er kannte jede noch so kleine und unscheinbare Spinnenart, und sein enormes arachnologisches Wissen und seine Weisheit machte auf uns alle einen unglaublich großen Eindruck. Seit diesem Zeitpunkt verband mich eine tiefe väterliche Freundschaft mit ihm. Ich hatte die große Freude und Ehre ihn auf mehreren Exkursionen und Reisen zu begleiten und ich habe mit ihm über 20 Jahre eine sehr intensive, ungewöhnlich herzliche und ergiebige Korrespondenz geführt. Dr. Günter Schmidt war ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Er war ein wirkliches Universalgenie. Ich habe in meinem bisherigen Leben nur selten Menschen kennengelernt, die solch ein enormes Wissen im Bereich der Naturwissenschaften, der Philosophie, der Politik, der Historik, der Kunst, der Musik und der Literatur hatten. Ich bin sehr dankbar für all das, was ich von ihm lernen durfte. Dr. Schmidt schrieb unglaublich schöne Gedichte, von denen einige in Form eines Buches publiziert wurden. Er war wie schon erläutert ein großartiger Musiker, ein begnadeter Pianist und Komponist. Er war erfüllt von ganz großer Begeisterung und Neugier für viele Dinge des Lebens – insbesondere für die kleinen und unscheinbaren.

Und er war eben auch ein ganz großer Arachnologe.

Ein Arachnologe, vor dessen Lebensleistung sich jeder, der sich für Spinnen und/oder Vogelspinnen interessiert, mit Respekt und Hochachtung verbeugen sollte. Ein ganz großer Arachnologe ist von uns gegangen.

Behalten wir ihn und sein arachnologisches Werk in ehrenvoller Erinnerung.

John Osmani
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